Machtkampf

Warum Hitzlsperger mit seiner "Sonntagsrede" nicht punkten kann

Thomas Hitzlsperger führt einen Machtkampf beim VfB Stuttgart.
Thomas Hitzlsperger führt einen Machtkampf beim VfB Stuttgart. Foto: Imago

Vorstandschef Thomas Hitzlsperger hat sich am Sonntag sehr getroffen von den Fan-Protesten gegen ihn gezeigt.

Er sehe "all das infrage gestellt, was ich mein ganzes Leben gemacht habe. Dagegen möchte ich mich entschieden wehren", erklärte Thomas Hitzlsperger in einer eigens einberufenen Pressekonferenz am Sonntag. Hitzlsperger widersprach vehement dem Vorwurf, er hintertreibe die Aufklärung der Datenaffäre (im Vorfeld der Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart im Juni 2017 schickten leitende Mitarbeiter des Klubs offenbar wiederholt Mitgliederdaten an Dritte - wie genau der Ablauf war und was davon juristisch verboten ist, wird derzeit noch untersucht).

Auch räumte er ein, mit den Fan-Protesten gegen ihn nicht gerechnet zu haben: "Es trifft mich persönlich sehr, was ich erfahre, höre oder lesen musste. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich als Spalter bezeichnet werde. Ich bin kein Spalter!" Er besitze einen klaren "Wertekanon", versicherte der 38-Jährige. "Nicht seine größte Sternstunde" sei es gewesen, so der VfB-Vorstandschef, in einem offenen Brief Präsident Claus Vogt anzugreifen. Druck habe ihn zu diesem Handeln verleitet, entschuldigte sich der Meisterspieler von 2007.

Machtkampf hält an

Hitzlsperger wollte und konnte sich allerdings nicht zu seinen weiteren Plänen im Stuttgarter Machtkampf äußern. Weiterhin hält er seine Kandidatur als Präsident aufrecht. Als Vorstandschef jedenfalls wolle er noch lange im Amt bleiben, betonte der gebürtige Bayer und nannte als sein wichtigstes Ziel, Ruhe in den Klub zurückzubringen.

Hitzlsperger versuchte mit dieser Rede wohl aufzuzeigen, dass er sehr wohl die Kritik aus dem Klub ernstnimmt. Zudem wollte er mit emotionalen Worten offenbar verdeutlichen, wie sehr er dem Klub verbunden ist. Man konnte den Eindruck gewinnen, Hitzlsperger wolle wieder der Liebling aller VfB-Fans und Verantwortlichen sein. Doch er wird sich darauf einstellen müssen, dass weitere öffentliche Entschuldigungen nicht zu einer Besänftigung der Lage beitragen. Denn:

Keine Fortschritte

1. Die VfB-Gemeinde will wissen, was beim Datenskandal schief gelaufen ist, es öffentlich dokumentiert haben und Konsequenzen sehen. Hier gibt es bislang keine deutlichen Fortschritte.

2. Hitzlsperger ist Vorstandschef des VfB Stuttgart und will nun auch Präsident werden. Er greift damit nicht nur den amtierenden Präsidenten Claus Vogt an, der einen harten Kern an VfB-Fans hinter sich weiß, Hitzlsperger stellt mit dem Griff nach der Allmacht beim VfB auch demokratische Strukturen infrage, selbst wenn eine Ämterkumulierung satzungstechnisch möglich wäre. Solange Hitzlsperger den totalen Machtanspruch fordert, wird er Gegenwind erhalten.

3. Es wird davon gesprochen, dass es Fan-Proteste gegen Hitzlsperger gibt und auch die Medien hinterfragen den VfB-Chef kritisch. Einerseits heißt das nicht zwingend, dass der Mix aus Zeitungsberichten, Stimmung in den Sozialen Netzwerken und Widerstand einiger Fangruppen schon bedeutet, dass die Mehrheit der VfB-Mitglieder oder der VfB-Fans gegen Hitzlsperger und seine Anliegen gestimmt sind. Andererseits muss Hitzlsperger wissen, dass er die Stimmung in diesen Bereichen kaum mehr drehen kann, egal was er tut. Emotional ist zu viel vorgefallen, was nachhaltig Misstrauen vor allem bei einem Teil der VfB-Fans gesät hat.

Hannover 96 als warnendes Beispiel für allzu machtbewusste Klubchefs

So muss man eher hinterfragen, ob der als Funktionär relativ unerfahrene Hitzlsperger nach zwei öffentlichen Entschuldigungen und einer emotionalen Rede, in der er mental mitgenommen wirkte, dem Druck auf Dauer standhält. Zumal ein möglicher Sieg gegen Claus Vogt ihm eine heftige Dauer-Opposition bei einem Teil der Fans und in Social-Media-Kanälen einbringen würde. Ein Blick zu Hannover 96 würde ausreichen. Dort setzten sich beharrlich agierende Mitglieder und Fans nach rund vier Jahren Machtkampf - allerdings wegen des Themas 50+1-Regel - gegen Klubchef Martin Kind im Verein (e.V.) durch.

Hitzlsperger sollte gewarnt sein. Er hat mit seiner "Sonntagsrede" nichts gewonnen - und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, auf Dauer als Verlierer aus diesem Machtkampf hervorzugehen. Und fast alle im Umfeld des VfB Stuttgart fragen sich: Warum hat sich Hitzlsperger wirklich in diesen Machtkampf gestürzt? Wenn er nur aus Druck, wie er behauptet, einen schweren Fehler begangen hat, stellt er im Grunde seine Position als Vorstandschef des VfB Stuttgart selbst infrage.

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Daniel Michel  
25.01.2021