Fans verärgert
Vergesst Vereinsliebe! Was für Sabitzer, Tousart, Hofmann und Co. wirklich zählt

Beim Thema Vereinsliebe geben Fußballprofis wie Marcel Sabitzer, Lucas Tousart und Jonas Hofmann mit ihren überraschenden Klubwechseln ein deutliches Karriere-Statement ab.
Über Jahrzehnte wuchsen kleine Kinder damit auf, als Fußballfan einen Verein zu lieben, für ihn alles zu tun und alles zu geben. Und nicht wenige junge Fans träumten davon, später einmal für die Profimannschaft des Lieblingsklubs aufzulaufen. Diesen Traum in die Realität umzusetzen, das gelingt aber natürlich nur wenigen Fußballern. Einer, der es geschafft hat, ist Marcel Sabitzer. Der Österreicher kämpfte sich in die Bundesliga und nutzte vor zwei Jahren die Gunst der Stunde: Sein Ex-Trainer bei RB Leipzig, Julian Nagelsmann, wurde Coach des FC Bayern. Nagelsmann wollte Sabitzer unbedingt mit nach München nehmen - und der Mittelfeldstratege ließ sich nicht zweimal bitten. Sabitzer gab sein Kapitänsamt in Leipzig auf, um seinen größten sportlichen Traum in die Realität umzusetzen: Als Profifußballer im Trikot des FC Bayern aufzulaufen! Natürlich zeigte und sagte Sabitzer der Öffentlichkeit stolz, dass er schon als Kind ein Trikot des FC Bayern getragen habe und den Verein sehr liebe. Was für eine romantische Geschichte!
Nagelsmann ließ Sabitzer hängen
Doch zwei Jahre später ist nichts mehr an dieser Geschichte romantisch. Sabitzer wurde von seinem Lieblingstrainer in München links liegen gelassen. Nagelsmann wiederum war von seinem Lieblingsspieler enttäuscht, weil dieser nicht den nötigen Duchsetzungswillen aufgezeigt hatte. Der Coach wurde im Frühjahr 2023 beim FC Bayern entlassen, Sabitzer war da schon Leihspieler von Manchester United - und entschied sich nun für einen Wechsel zu Borussia Dortmund.
BVB setzte in den 1990er-Jahren FC Bayern sehr zu
Ausgerechnet der BVB! Innerhalb der Bundesliga stört die Bayernsfans ein Wechsel zu Borussia Dortmund am ehesten, schließlich gelten die Schwarz-Gelben als Titelrivale Nummer eins. Hinzu kommt die historische Fan-Perspektive. Wenn Sabitzer tatsächlich als Kind ein Fan des FC Bayern war, dann wird ihm vermittelt worden sein, wie "schlimm" der BVB gegenüber dem FC Bayern war. Die Schwarz-Gelben wurden 1995 und 1996 deutscher Meister. Den Meistertitel 1996 holten sie im Münchner Olympiastadion und verhöhnten dabei Bayern-Interimstrainer und "Lichtgestalt" Franz Beckenbauer als "Vize-Kaiser Franz".
Noch "schlimmer" wurde es dann 1997, als der BVB die Champions League in München(!) gewann. Und auch 1998 war es nicht gerade lustig aus Münchner Sicht, als der BVB die Bayern in einem dramatischen Duell aus der Champions League geworfen hatte. Womöglich hat Sabitzer das aber noch nicht mitbekommen, schließlich war er bei all den Ereignissen nicht älter als vier Jahre. Vielleicht ist Sabitzer als Kind zu einem der berühmt-berüchtigten Münchner "Erfolgsfans" herangezüchtet worden, denn ab 1999, ab der Ära Hitzfeld, ging es fast nur noch um nationale und internationale Titel.
Diese 3 Dinge sind für Fußballprofis von Bedeutung
Ein echter Bayernfan würde niemals zu Borussia Dortmund wechseln, zumal Sabitzer genügend andere Top-Angebote aus dem Ausland vorliegen hatte. Doch Marcel Sabitzer ist, auch wenn er das vor zwei Jahren suggeriert hat, längst kein Fußballfan mehr. Sabitzer ist Fußballprofi. Für Fußballprofis ist Vereinsliebe ein netter Nebeneffekt, den man kommerziell und manipulativ ausschlachtet. Doch schon am nächsten Tag kann es ganz anders kommen. Für Fußballprofis haben nämlich drei andere Faktoren bei der Klubauswahl Priorität: Ein möglichst hohes Gehalt (und Handgeld) zu bekommen, am besten eine Stammplatz-Garantie zu erhalten und im Idealfall um sportlich ambitionierte Ziele mit dem Klub zu kämpfen (Titel und Europapokal-Starts).
Im Falle von Sabitzer ging es vor allem darum, wieder Vertrauen von einem Verein und Trainer zu erhalten, um regelmäßig und von Beginn an zu spielen. Dafür hätte Sabitzer aus Rücksicht auf seinen Lieblingsklub nicht zwingend den BVB wählen müssen. Er besaß andere gute Optionen. Dass er auch noch auf Instagram seine Bilder im Bayerntrikot gelöscht - er selbst spricht von "archiviert" - hatte, verärgerte die Münchner Fans zusätzlich.
Sabitzer ist aber natürlich nicht der einzige unter den rund 500 Bundesligaprofis, der auf irgendeine Art Vereinsliebe vorgaukelt, sie aber im nächstbesten Moment mit Füßen tritt.
Tousart schockiert Hertha-Fans
Lucas Tousart zum Beispiel stieg bei Hertha BSC zum Leistungsträger und Fanliebling auf. Den Abstieg mit den Herthanern konnte der Franzose trotzdem nicht verhindern. Von einem Spieler seiner Qualität zu verlangen, mit in die 2. Liga zu gehen, wäre zu viel des Guten. Aber dennoch wirkt es abstoßend, dass sich der 26-Jährige in diesem Sommer für einen sehr bequemen Weg entschieden hat. Tousart grätscht fortan für den verhassten Lokalrivalen Union Berlin die Gegner um. Die "Eisernen" spielen eben Champions League und sind zahlungskräftiger als die Fast-Pleite-Hertha. Ähnlich wie Sabitzer hatte Tousart viele andere Interessenten von Format, doch Union war für ihn die einfachste Option. Tousart wechselte also vor allem aufgrund von sportlichen (Titel-)Ambitionen den Klub, allerdings ohne Rücksicht auf die Emotionen der Herthaner.
Gladbach-Manager von Hofmann enttäuscht
Ein ähnliches Klagelied können die Fans von Borussia Mönchengladbach im Fall von Jonas Hofmann singen. Der 31 Jahre alte Flügelstürmer lief acht Jahre für die Fohlen auf, er feierte mit ihnen große Abende im Europacup und spektakuläre Siege gegen den FC Bayern in DFB-Pokal und Bundesliga. Doch der rheinische Rivale Bayer Leverkusen lockte mit mehr Geld und sportlichen Ambitionen. Immerhin ist die Werkself für die Europa League qualifiziert, während Gladbach darauf achten muss, nicht in den Abstiegsstrudel zu geraten. Hofmann hätte bei Gladbach wohl Kapitän werden können, aber er scheute die Verantwortung, in Gladbach nochmal etwas Neues aufzubauen. Er will nun in einem erfolgreichen Leverkusener Kollektiv gut eingebunden sein, um auch seine Chancen zu erhöhen, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. So dürfte es Hofmann wenig beeinflussen, wenn Gladbach-Sportchef Roland Virkus erklärt, er sei von Hofmanns plötzlichem Abgang enttäuscht gewesen, zumal Hofmann schon seine Zusage für einen Verbleib in Gladbach gegeben habe.
Wichtig für (enttäuschte) Fans ist demnach zu wissen: In der Regel wollen Fußballprofis noch das Bild vom treuen, vereinsliebenden Helden aufrecht erhalten. Aber eigentlich belügen sie sich selbst und die Anhänger damit. Denn im heutigen Kommerzfußball haben Geld, Spielzeit und Titeloptionen absolute Priorität für Fußballprofis. Das ist einfach professionelles Verhalten und eine Karriere-optimierte Strategie. Dieses Verhalten ist auch nicht verwerflich. Verwerflich ist es nur, Vereinsliebe vorzutäuschen.
