Nach 0:4-Klatsche

Teamgeist oder Trainerdilemma? Eintrachts Kampf um die Königsklasse

Wo endet die Saison für Eintracht Frankfurt und Trainer Adi Hütter? Foto: Imago

Das 0:4 bei Borussia Mönchengladbach war für Eintracht Frankfurt nach einer turbulenten Woche und zwei wegweisenden Personalentscheidungen der nächste herbe Schlag. Dass Trainer Adi Hütter auch nach dem Abpfiff keine gute Figur abgab, lässt die Sorge wachsen, dass den Hessen im Endspurt wieder einmal die Puste ausgehen könnte. Die Eintracht steht vor einer wegweisenden Woche und der Frage: Teamgeist oder Trainerdilemma?

Von der Eintracht berichtet fussball.news-Reporter Benjamin Heinrich

Brisanter hätte die vergangene Woche für Eintracht Frankfurt wohl kaum laufen können. Am Dienstag wurde öffentlich, dass der Erfolgscoach der letzten Jahre, Adi Hütter, den Verein nach der Saison aufgrund einer Ausstiegsklausel zu Borussia Mönchengladbach verlassen wird. Ein Schritt, der viele im Umfeld verwundert hat, weil es sportlich nicht der klare nächste Schritt in Hütters Karriereplan ist. Einen Tag später dann die Bekanntgabe, dass sich die Hessen und Sportvorstand Fredi Bobic auf die langersehnte Vertragsauflösung zum 31. Mai geeinigt haben. Vor allem das Trainer-Aus hat die Mannschaft hart erwischt, die Gerüchteküche brodelte zwar schon lange, die Hoffnung war im Team aber durchaus gegeben, dass sich Hütter doch zu einem Verbleib durchringt. Dass der Wechsel ausgerechnet vor dem direkten Duell mit seinem neuen Arbeitgeber bekannt wurde, setzte dem Ganzen dann die Krone auf. Keine einfache Woche für Mannschaft und Umfeld, die 0:4-Niederlage bei den Gladbachern zum Ende der Woche in einen direkten Zusammenhang zu den Ereignissen zu stellen, wäre freilich unfair, den Spielern, den Menschen dahinter, das Recht abzusprechen sich von derartigen Umständen beeinflussen lassen zu dürfen, ob bewusst oder unbewusst, wäre es allerdings ebenso. 

Hütter liefert Kritikpunkte

Dem Frankfurter Anhang stieß die Auswärtsniederlage zwar auch bitter auf, die Performance von Eintracht-Trainer Adi Hütter nach dem Spiel aber noch mehr. Im Gespräch mit dem ZDF schwärmte der 51-Jährige bereits von seinem neuen Arbeitgeber, wohlwissend, dass er und sein Team kurz zuvor wichtige Punkte im Kampf um die Champions League liegen gelassen haben. "Ein schönes tolles Stadion, gleich schön wie das Frankfurter Stadion. Die Farben verändern sich, der Verein verändert sich. Heute habe ich mich auch für Marco (Anm. d. Red.: Marco Rose, Trainer von Borussia Mönchengladbach) gefreut und auf das Spiel", kommentierte der Österreicher und lächelte dabei. Dass ein Trainer dem gegnerischen Coach nach einer Niederlage gratuliert, bietet das Fairplay, dass dieser sich aber derart nach der Partie äußert, irritierte wohl nicht nur das Frankfurter Umfeld. Hütter packte im Anschluss noch einen Freudschen Versprecher hinterher, verlor in all dem Wechseltrubel kurz die Orientierung: "Jetzt bin ich natürlich enttäuscht, dass wir heute als 0:4-Sie... äh, Verlierer vom Platz gehen." Ein Fauxpas, der vor den derzeitigen Hintergründen brisant ist und der auf diese Weise nicht passieren sollte.

BVB drückt, Eintracht hat es in eigener Hand

Sportlich hat sich die Ausgangslage nach dem 29. Spieltag für die Eintracht mit Blick auf die erste Champions League-Qualifikation der Vereinsgeschichte durch die Niederlage zwar verschlechtert, aber noch nicht zugespitzt. Die Verfolger Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen haben mit ihren Siegen Boden gutgemacht. Der Vorsprung auf den fünftplatzierten BVB ist auf vier Punkte geschrumpft. Noch haben die Frankfurter aber weiterhin alles in der eigenen Hand. Mit einem Sieg gegen den FC Augsburg am Dienstag (20:30 Uhr) wäre die Eintracht wieder im Soll und das Trainerdilemma zweitrangig. Ein Dreier wäre zweifelsohne Balsam auf die zuletzt schwer geschundenen Fanseelen, gerade mit Blick auf die darauf folgende schwere Auswärtspartie am Samstag (18:30 Uhr) bei Verfolger Bayer Leverkusen. Die dann noch ausstehenden Spiele gegen Mainz, auf Schalke und gegen Freiburg sind auf dem Papier machbar, vier Siege aus den verbleibenden fünf Partien dürften für die Königsklasse reichen, möglicherweise schon deren drei. Doch auch die Mannschaft wird die Aussagen ihres Trainers nach der Partie bei der Borussia registriert haben. Der hatte in der vergangenen Woche stets betont, dass er sich erst nach der Saison mit seinem neuen Job in Mönchengladbach beschäftigen wird. Seine Statements nach dem direkten Aufeinandertreffen haben Zweifel geweckt.

Führungsspieler und Teamgeist gefordert

Doch lässt sich die Mannschaft auf diese ein? Hütter äußerte sich Ende Februar auf Nachfrage von fussball.news zum besonderen Teamgeist in seiner Mannschaft: "Die Mannschaft macht auch sehr, sehr viel alleine, weil die Kabine einfach toll ist. Sie regelt in der Kabine viel selbst." Genau darauf dürfte es in dieser schweren Phase der Saison ankommen. Führungsspieler wie Keeper Kevin Trapp, Sebastian Rode, Makoto Hasebe und auch Martin Hinteregger sind in den letzten fünf Spielen gefordert. Dort, wo der Trainer womöglich nicht mehr den großen Halt geben kann, ist die Mannschaft selbst gefragt. Gefordert für das große Ziel Champions League gemeinsam einzustehen und sich wieder aufzuraffen. Rode sagte nach dem bekanntgewordenen Wechsel seines Coaches zur Bild-Zeitung: "Wir haben danach als Mannschaft noch kurz zusammengesessen und uns in gewisser Weise eingeschworen. Dass uns die Situation nicht belastet, dass wir noch schwere Spiele haben, die wir unbedingt gewinnen wollen. Wir werden fokussiert bleiben." Die Frage wird sein, ob das Team die Umstände ausblenden, den bislang so viel gelobten Teamgeist und das große Ziel Champions League in den Fokus nehmen kann, damit das Trainerdilemma am Ende nicht über die historische Chance der Hessen entscheidet. 

Benjamin Heinrich  
19.04.2021