Krise in Leipzig

Mintzlaff überfordert? So denkt man Bundesliga-intern über den Leipzig-Boss

Oliver Mintzlaff gab zuletzt bei RB Leipzig keine gute Figur ab. Foto: Getty Images

Seitdem Ralf Rangnick den Fußballsektor des Red Bull-Konzerns verlassen hat, gilt Oliver Mintzlaff als der mächtigste Mann bei RB Leipzig. Zuletzt aber fiel der RB-Boss mehrfach mit fragwürdigen Entscheidungen und Aussagen auf. Nun wird im Bundesliga-Kosmos darüber spekuliert, ob Mintzlaff den Anforderungen eines Klubchefs in der Bundesliga noch gerecht wird. 

Bei Vizemeister RB Leipzig läuft es nicht rund. Platz zehn in der Bundesliga mit 21 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayern München, das Verfehlen des Achtelfinals in der Champions League und ein Trainerwechsel nach dem 14. Spieltag von Trainer Jesse Marsch hin zu Domencio Tedesco lassen bei den ambitionierten Sachsen die Alarmglocken schrillen. In derartigen Situationen ist es für einen Bundesligaklub meist von großer Bedeutung, an der Spitze einen führungsstarken, entscheidungsfreudigen, teamorientierten und verlässlichen Funktionär stehen zu haben. Entspricht Oliver Mintzlaff diesem Typus?

Untypische Biografie für einen Klubchef

Zunächst einmal ist zu betonen, dass Oliver Mintzlaff eine eher untypische Biografie für einen Chef eines Bundesligisten aufweist. In der Regel führen Ex-Fußballprofis, große Wirtschaftsbosse oder lokal verankerte Persönlichkeiten einen Bundesligaklub an. Mintzlaff ist ein ehemaliger Leichtathlet (Langstreckenläufer), arbeitete für den Sportartikelhersteller Puma und ging dann in die Spieler- und Trainerberatung über, wo er letztlich Funktionärsikone Ralf Rangnick kennenlernte und mit ihm zu RB Leipzig wechselte. Das Duo Rangnick/Mintzlaff brachte RB Leipzig auf Erfolgskurs, der Klub startete durch und stieg 2016 in die Bundesliga auf. Zwei deutsche Vizemeisterschaften, zwei DFB-Pokalfinals und das Halbfinale der Champions League 2020 (allerdings im verkürzten "Corona-Turniermodus") weisen eine beeindruckende Bilanz auf, auch wenn der Klub enorm vom Geld des Investors und Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz profitiert.

Erfolg war mit Rangnick programmiert

Bis 2019 lenkte in der Praxis offensichtlich Rangnick den Klub, dann dankte der Multifunktionär, der nun Manchester United trainiert, bei den Sachsen ab. Mit Julian Nagelsmann installierte Rangnick aber noch den besten Bundesligatrainer bei RB. Als Sportchef kam zudem Markus Krösche nach Leipzig, der zuvor den SC Paderborn in die Bundesliga geführt hatte. Bis dato kann man festhalten, dass Oliver Mintzlaff in Leipzig kaum etwas falsch gemacht hat - aber er wurde auch nicht wirklich geprüft, denn vor allem mit dem erfahrenen Ralf Rangnick war der Erfolg programmiert. Nun verließen aber bekanntlich im Sommer 2021 auch Erfolgscoach Nagelsmann (München) und Sportchef Krösche (Frankfurt) die Leipziger. Seitdem ist Mintzlaff tatsächlich als alleiniger Boss bei RB gefordert - und es wirkt bis dato so, als wäre Mintzlaff mit der Aufgabe überfordert.

Als Nachfolger für Julian Nagelsmann holte Mintzlaff den im RB-Kosmos beliebten Jesse Marsch, auch wenn der Amerikaner zuvor noch nie als Chefcoach einen Bundesligisten trainiert hatte. Nach 14 Spieltagen musste Mintzlaff seine Entscheidung revidieren. Er entließ Marsch - und holte Domenico Tedesco. Auch das ist eine fragwürdige Entscheidung, denn Tedesco trainierte bislang nur einen Klub in der Bundesliga: Schalke 04. Nach einer kurzen Phase des Erfolgs ging es für Schalke mit Tedesco Richtung Zweite Liga.

Warum hat RB keinen Sportdirektor?

Einen Nachfolger für Markus Krösche gibt es dagegen noch gar nicht. Mintzlaff spielt den Fakt, dass der Posten bislang unbesetzt ist, herunter, doch nach fussball.news-Informationen werden die Vorgänge in Leipzig Bundesliga-intern sehr genau registriert. So ist von einzelnen Bundesliga-Funktionären und Beratern sinngemäß folgende Theorie zu hören: Wäre RB Leipzig ein Topklub mit einem Topchef, dann würde der Verein von sehr bekannten und erfolgreichen Managern Bewerbungen en masse erhalten und den Posten zeitnah besetzen können. Die dahinter steckende Vermutung: Offenbar ist der Drang, als Sportchef unter Oliver Mintzlaff zu arbeiten, bei Führungskräften aus dem Managementbereich nicht besonders groß.

Hinzu kommt, dass immer noch große Verwunderung darüber herrscht, wie RB Leipzig sich quasi kampflos auf dem Transfermarkt gegenüber Bayern München ergeben hat. Der beste Abwehrspieler (Upamecano), der Kapitän (Sabitzer), der Trainer (Nagelsmann) und große Teile des Staffs sind allesamt im Sommer 2021 nach München gezogen. Leipzig wollte eigentlich der ärgste Titelkonkurrent von Bayern München werden, verhökerte aber mit dem Segen von Mintzlaff seine Juwelen an den FC Bayern, ohne auf dem Transfermarkt passend nachzubessern.

Nachtreten gegen Krösche

Auch hat man registriert, dass Mintzlaff unter Druck offenbar kaum mehr Freunde kennt - oder genauer gesagt ehemalige gute Mitarbeiter. Zuletzt auf die Krise bei RB angesprochen, trat Mintzlaff bei einer öffentlichen Diskussion mit Fans auf übelste Art gegen Ex-Manager Markus Krösche nach. Mit Blick auf den neuen Sportdirektor, der immer noch nicht verpflichtet wurde, sagte Mintzlaff laut Bild-Zeitung: "Wir suchen nach einer 1A-Plus-Lösung. Dabei wollen wir nochmal in ein anderes Fach greifen, als es Markus Krösche war." Zudem stichelte er auch gegen den neuen Sportvorstand von Eintracht Frankfurt: "Wir haben nach dem ersten Jahr mit Markus Krösche als Sportdirektor festgestellt, dass die Konstellation nicht ganz ideal ist." Deshalb wurden Krösche mit Christopher Vivell und Florian Scholz in der Folge zwei weitere Funktionäre an die Seite gestellt. Nach einer Saison in dieser Konstellation beendete Krösche die Arbeit bei RB und wechselte als Sportvorstand nach Frankfurt. Nun liegen die Hessen in der Tabelle vor RB Leipzig.

In der Branche kann man immer wieder die Einschätzung über Mintzlaff hören, dass dieser wenig druckresistent wirke und er folglich zu überhasteten und falschen Entscheidungen neige. Und auch wenn es öffentlich kaum erwähnt wurde, ist es bei Beobachtern der Bundesliga nicht untergegangen, wie fast schon herzlos Mintzlaff zuletzt handelte. Der 46-Jährige entließ Jesse Marsch in einer Phase, in der der Trainer durch seine Coronainfektion gar nicht selbst an der Seitenlinie hatte stehen können. Entweder ist man vom Trainer überzeugt, dann muss man auch die Phase der Coronaerkrankung noch durchstehen - oder man spürt schon länger, dass es nicht passt mit dem Trainer, dann wäre ohnehin eine deutlich frühere Entlassung von Marsch nötig gewesen.

Leistungssteigerung erforderlich

RB Leipzig droht in dieser Saison, die Qualifikation zur Champions League zu verpassen. Oliver Mintzlaff trägt die Hauptverantwortung für die derzeitige Situation. Allerdings hat er noch genug Zeit, allen Skeptikern zu beweisen, dass er unter Druck und ohne Weggefährte Ralf Rangnick erfolgreich arbeiten kann. Dazu muss aber nicht nur von seiner Mannschaft, sondern auch von ihm selbst zeitnah eine Leistungssteigerung folgen.

Benjamin Heinrich  
19.12.2021