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50+1-Regel: Kartellamt gibt Warnschuss Richtung DFL ab!

Fans des VfB Stuttgart machen sich unter für den Erhalt von "50+1" stark.
Fans des VfB Stuttgart machen sich unter für den Erhalt von "50+1" stark. Foto: Imago

Das Bundeskartellamt hat am Montag eine bahnbrechende Einschätzung abgegeben: Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und die sogenannten "Plastikklubs" stehen vor einer revolutionären Veränderung, auch wenn diese wettbewerbsrechtliche Einschätzung erst der Anstoss für einen langen Veränderungsprozess bedeutet.

Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland eine hitzige Debatte um die 50+1-Regel: Während manche deutschen Fußballfunktionäre rechtlich gar keine juristische Grundlage für die Regel mehr sehen, kämpfen vor allem Fangruppen und Verbände vehement für den Erhalt dieser Regel.

Das Bundeskartellamt bringt in einer Presseaussendung vom Montag den Kern der Regel und die Entwicklung zunächst auf den Punkt:

"Die 50+1-Regel wurde 1999 eingeführt, um einerseits den Vereinen der Bundesliga und der 2. Bundesliga neue Finanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen aber andererseits den Einfluss von Investoren zu begrenzen und den vereinsgeprägten Charakter zu erhalten. Die in der Satzung der DFL festgelegte Regel besagt, dass bei einer Ausgliederung der Profi-Fußballabteilung in eine Kapitalgesellschaft, der Mutterverein grundsätzlich die Stimmrechtsmehrheit an dieser Gesellschaft halten muss (Grundregel). Das Präsidium der DFL kann von dieser Grundregel u.a. dann eine Ausnahme bewilligen, wenn ein Investor den Fußballsport des Muttervereins seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert hat (Förderausnahme)."

Förderausnahme für drei Klubs aus der Bundesliga

Vor allem die Förderausnahmen - sie gelten bislang für Bayer 04 Leverkusen (Bayer-Konzern), die TSG 1899 Hoffenheim (Investor Dietmar Hopp) und den VfL Wolfsburg (VW-Konzern) - gelten in der Fanszene als umstritten. Das besonders als "Plastikklub" in der Kritik stehende RB Leipzig hat dagegen bislang keine Förderausnahme erhalten. Daher wirkt es fast schon kurios: Die Sachsen sind deshalb formal immer noch ein eingetragener Verein (e.V.), doch ihr Hauptsponsor und Hauptgesellschafter Red Bull mit Investor und Firmengründer Dietrich Mateschitz vergibt an den Klub dem Vernehmen nach unter anderem Darlehen, damit RB, das offiziell als RasenBallsport Leipzig e.V. firmiert, mit den Topklubs in der Bundesliga mithalten kann.

Das Bundeskartellamt hat sich nun auf Antrag der DFL intensiv mit der Regel auseinandergesetzt und dabei eine vorläufige Einschätzung beziehungsweise Bewertung abgegeben. Allerdings ist dies kein rechtskräftiges Urteil oder eine Anweisung. Es ist sozusagen ein erster Schritt, der aber den Profi-Fußball in Deutschland nochmals revolutionieren könnte.

Denn entgegen der Meinung zahlreicher Funktionäre, die 50+1-Regel halte vor Gerichten nicht mehr stand, kommt das Kartellamt vorläufig zu dem Schluss: 

"Nach Auffassung des Amtes kann die Grundregel aufgrund der damit verfolgten sportpolitischen Ziele kartellrechtlich unbedenklich sein."

Und:

"Das Kartellrecht steht Anforderungen von Sportverbänden an die Teilnehmer eines Wettbewerbes nicht entgegen, wenn diese zur Verfolgung bestimmter wettkampfbezogener, aber auch ethisch-sozialer Ziele dienen.

Die von der DFL angeführte Vereinsprägung kann ein solches Ziel darstellen: Sie eröffnet breiten Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, durch die Mitgliedschaft in einem Verein dessen Geschicke mitzubestimmen und somit am Bundesligageschehen auch über die Stellung als Konsument hinaus teilzuhaben."

Inkonsequente Durchsetzung von 50+1?

Doch das Kartellamt ist derzeit der Überzeugung, dass die DFL ihre eigene Regel, ihren eigenen Grundsatz, nicht konsequent einhält.

"Für problematisch hält das Amt hingegen, dass die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der Regel in ihrer jetzigen Fassung nicht sichergestellt ist."

Die Begründung:

"Denn durch die Gewährung der Förderausnahme wird in den betroffenen Klubs der beherrschende Einfluss des Muttervereins ausgeschaltet und damit das sportliche Geschehen insoweit von der Vereinsprägung abgekoppelt. Es besteht die Gefahr, dass prägende Charakteristika wie Mitgliederpartizipation im Verein und Transparenz gegenüber den Mitgliedern hierbei verloren gehen. Vereinsgeprägter Fußball und Ausgeglichenheit des Wettbewerbs, wie es sich die DFL mit der Regelung zum Ziel gesetzt hat, sind so nicht mehr einheitlich gegenüber sämtlichen Klubs gesichert."

Im Grunde, so die Deutung von fussball.news, heißt die Bewertung des Kartellamts am Ende übersetzt:

Die DFL muss für Einheitlichkeit sorgen. Entweder sie kippt die 50+1-Regel komplett - oder sie zwingt die drei Vereine Bayer 04 Leverkusen, TSG 1899 Hoffenheim und VfL Wolfsburg dazu, die jeweilige Satzung/Vereinskonstruktion zu ändern.

In den kommenden Wochen werden nun Statements der DFL und beteiligter Klubs erwartet. So viel dürfte allerdings klar sein: Es wird demnächst Veränderungen geben.

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Daniel Michel  
31.05.2021