Rückentwicklung seit 2021

Hat der Borussia-Kosmos die Fehler von Max Eberl vergessen?

Max Eberl war von 2008 bis 2022 Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. Foto: Getty Images.
Max Eberl war von 2008 bis 2022 Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. Foto: Getty Images.

Die potenzielle Entlassung von Daniel Farke wird innerhalb der Anhängerschaft kritisch diskutiert. Auch in der Bewertung der Arbeit von Sportdirektor Roland Virkus gehen die Meinungen auseinander. Das Führungsduo von Borussia Mönchengladbach arbeitet allerdings bis heute unter erschwerten Bedingungen, die aus den letzten Jahren der Ära Max Eberl resultieren.

Dass Max Eberl Borussia Mönchengladbach große Dienste erwiesen und über viele Jahre erfolgreiche Arbeit geleistet hat, steht außer Frage. Unter der Leitung des früheren Verteidigers gelang der Fohlen-Elf die Entwicklung vom Fast-Absteiger zum dreimaligen Champions-League-Teilnehmer, der es sich zur Aufgabe verschrieben hat, junge Talente auszubilden und durch Transfer-Erlöse auf sportlicher und wirtschaftlicher Ebene nach oben zu klettern. Doch zum Ende seiner Amtszeit unterliefen Eberl Fehler, die den Verein für mehrere Jahre zurückgeworfen haben.

Eberl verlässt den Borussia-Weg

Als Eberl im Frühjahr 2019 ankündigt, einen neuen Weg einschlagen zu wollen, geht der Plan zunächst auf. Nach dem Trainerwechsel von Dieter Hecking zu Marco Rose investiert Gladbach über 40 Millionen Euro in Stefan Lainer, Breel Embolo, Marcus Thuram und Ramy Bensebaini, wenngleich durch Spielerverkäufe 34 Millionen Euro eingenommen werden. Unter Rose zieht Borussia als Tabellenvierter in die Champions League ein, weshalb Eberl trotz der verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie gegenüber der Westdeutschen Zeitung ankündigt: "Für mich steht fest, dass wir keinen abgeben werden. Unsere Einnahme aus der Champions League war nicht eingeplant, deswegen macht sie es uns jetzt leichter." Verkaufskandidaten wie Matthias Ginter und Denis Zakaria bleiben demzufolge. Der kurzfristige Effekt ist positiv, da Gladbach in einer Gruppe mit Real Madrid, Inter Mailand und Schachtar Donezk erstmals das Achtelfinale der Champions League erreicht. Doch zwischen dem 6. Februar und 16. März werden acht von neun Partien verloren, zudem kündigt Marco Rose seinen Wechsel zu Borussia Dortmund an. In der Endabrechnung landet Gladbach auf dem achten Tabellenplatz, verspielt die erneute Qualifikation für den Europapokal und soll eigentlich vor einem Umbruch stehen.

Hütter kommt - aber nicht der Umbruch

Eberl investiert 7,5 Millionen Euro in Cheftrainer Adi Hütter, der Eintracht Frankfurt ins Halbfinale der Europa League und beinahe in die Champions League geführt hat. Wie die Rheinische Post berichtet, sollen Ginter, Zakaria und Alassane Plea Einnahmen für geplante Kaderveränderungen bescheren, Abnehmer werden aber nicht gefunden. Der Wechsel von Marcus Thuram zu Inter Mailand platzt indes, weil sich der Stürmer am zweiten Bundesliga-Spieltag gegen Bayer Leverkusen - Borussia verliert 0:4 - am Knie verletzt und bis Ende Oktober ausfällt. Außer RB-Leihgabe Hannes Wolf, für den Borussia 9,5 Millionen Euro Ablöse zahlt, und Luca Netz (zwei Millionen Euro) werden bis Januar keine weiteren Spieler verpflichtet. Die Mannschaft hat spürbare Probleme mit dem aggressiven Pressingfußball unter Hütter, der im Juli 2022 beim österreichischen TV-Sender Servus TV über den verpassten Umbruch sagt: "Leider ist das, was mir in der Sommertransferzeit versprochen wurde, nicht eingehalten worden."

Ginter geht ablösefrei, auch Thuram und Bensebaini verlängern nicht

Vor Eberls Rücktritt im Januar 2022 wird Marvin Friedrich für 5,5 Millionen Euro von Union Berlin verpflichtet. Zakaria wechselt sechs Monate vor Vertragsende für 4,5 Millionen Euro exklusive Boni über 4,1 Millionen Euro zu Juventus Turin, während Ginter im Sommer ablösefrei geht. Eberl-Nachfolger Roland Virkus hat ab Sommer über zehn Vertragsfragen zu klären, zahlreiche Spieler sind nur bis 2023 gebunden. Mit Plea und Jonas Hofmann verlängern zwei wichtige Spieler, in zwei entscheidenden Fällen gelingt aber weder eine Verlängerung noch ein Verkauf: Thuram und Bensebaini lassen ihre Verträge auslaufen, wodurch Borussia einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag verliert. Aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel wird eine Übergangssaison ausgerufen, wenngleich durch den Verkauf von Breel Embolo zur AS Monaco mit Ko Itakura, Nathan Ngoumou und Oscar Fraulo eine Soforthilfe und zwei Talente für 15 Millionen Euro verpflichtet werden. Zudem heuert Daniel Farke als neuer Cheftrainer an. Nach anfänglicher Euphorie und dem achten Tabellenplatz zur WM-Pause fällt der größtenteils unveränderte Kader jedoch in ein Leistungsloch. Die Bilanz im Jahr 2023 steht bei vier Siegen in 18 Spielen und insgesamt 18 gewonnenen Punkten. Damit belegt Borussia in der Jahrestabelle Platz 15.

Kritik an Farke und Virkus

So steht seit Monaten Farke zur Debatte. Der Coach nimmt selten Veränderungen in der Startformation vor, wechselt innerhalb der Spiele spät, lässt die Youngster kaum zum Zug kommen. Zudem stellt er sich selbst nach hohen Niederlagen schützend vor seine Mannschaft und widerspricht sich, wenn er Friedrich für den ausgeübten Druck im Training lobt und später feststellt, dass ohne den Innenverteidiger in der Startformation weniger Gegentore fallen. Auch das Schaffen von Virkus wird kritisch beäugt, da im Mai 2023 nicht abzusehen ist, welche Spieler nach Julian Weigl und Hertha-Talent Lukas Ullrich noch verpflichtet werden. Doch das Laster der letzten Eberl-Jahre ist zu groß, als dass der konservativ wirtschaftende Verein ohne Spielereinnahmen handlungsfähig agieren kann. Dass sich Ginter, Thuram und Bensebaini zum Nulltarif verabschieden, Zakaria unter Wert verkauft wurde, ist nicht allein Virkus' Vergehen. Ebenso wenig die hohen Investitionen in Hütter, Wolf und Friedrich, die sich kaum ausgezahlt haben.

Kramer: "Wir haben nicht mehr diese Qualität"

Farke ist indes nicht frei von Fehlern, neben den bereits genannten Kritikpunkten wird auch eine spielerische Weiterentwicklung vermisst. Mit Christoph Kramer hat sich ein Wortführer der Mannschaft allerdings gegen einen erneuten Trainerwechsel ausgesprochen: "Es lag letztes Jahr nicht am Trainer, es lag das Jahr davor nicht am Trainer, es liegt dieses Jahr nicht am Trainer. Wir haben nicht mehr diese Qualität, die wir mal hatten. Wir können uns immer Alibis geben, aber sollen wir uns den nächsten Trainer holen und danach wieder den nächsten Trainer? Das ist Quatsch." Der Mittelfeldspieler verortet die Probleme im Kader, der seit 2020 nur geringfügig verändert wurde. Es fehlt der Konkurrenzkampf in der Breite, es fehlt an frischen Kräften, die nicht nur den Ball zirkulieren lassen, sondern im Gegenpressing aggressiv zu Werke gehen. Zwar sind Virkus und Farke - falls er Trainer bleibt - in diesem Jahr umso mehr gefordert, den Umbruch zu bewältigen und neue Strukturen zu entwickeln. Dass diese so verkrustet sind, wie es Virkus vor einem Jahr beschrieben hat, ist jedoch durch Eberls Fehleinschätzungen zu begründen.

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Florian Bajus  
23.05.2023