Verfolgerduell am Samstag

Dortmund vs. Bayern: Warum es kein "deutscher Clasico" ist

Vor zehn Jahren standen sich Dortmund und Bayern im Champions-League-Finale gegenüber. Foto: Getty Images
Vor zehn Jahren standen sich Dortmund und Bayern im Champions-League-Finale gegenüber. Foto: Getty Images

Borussia Dortmund empfängt am Samstagabend den FC Bayern zum Verfolgerduell der Bundesliga. In der jüngeren Vergangenheit ist es findigen Marketingexperten gelungen, diese Begegnung zum absoluten Aushängeschild des deutschen Oberhauses zu stilisieren. Die Bezeichnung als "Klassiker" oder "deutscher Clasico" wird allerdings gerade unter Fans des BVB mit Argwohn betrachtet.

Historisch wenige Berührungspunkte

Schließlich geht der linguistische Verweis auf eine angebliche große Vergangenheit dieses Spiels an der Realität vorbei. Über viele Jahrzehnte gab es keine großen Berührungspunkte zwischen Dortmund und Bayern, dafür fehlte es an der sportlichen Brisanz. Als der BVB den Anspruch formulieren konnte, die Nr.1 in Deutschland zu sein, in den 1950er und 1960er Jahren, waren die Münchner in der jungen Bundesrepublik kein absoluter Top-Klub. Andersherum war es ab den 1970er Jahren für mehr als zwei Jahrzehnte.

Rivalität entstand erst in den 1990ern

Erst durch das Wiedererstarken von Schwarzgelb in den 1990er Jahren ist die Rivalität entstanden, die von Medien und der DFL gewissermaßen nachträglich ausgeschlachtet wird. Von einem "Klassiker" ist erst seit wenigen Jahren die Rede, maßgeblich waren dafür die Erfolge des BVB unter Jürgen Klopp zwischen 2010 und 2013, die an der Rangordnung im deutschen Fußball mit dem FC Bayern als weit enteiltem Branchenprimus zu rütteln drohten. Im Rückblick lässt sich festhalten, dass die Münchner den Angriff mit aller Macht abwehren konnten. Den Höhepunkt stellte dabei das innerdeutsche Champions-League-Finale 2013 im Wembley-Stadion dar, das die Münchner spät für sich entscheiden konnten.

Sportlich keine Augenhöhe

Die sportliche Rivalität im "Klassiker" ist seither eigentlich wesentlich zu eindeutig, um die Partie immer wieder aufs Neue hochjazzen zu lassen. Seit dem letzten Sieg des BVB in der Bundesliga sind fünf Jahre ins Land gezogen, in München holt sich Dortmund sogar regelmäßig Packungen ab. Die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen sind so verschieden, dass eine dauerhafte Machtablösung absolut ausgeschlossen scheint. Insofern ist der BVB im "Klassiker" zu unterlegen, um eine Rivalität auf Augenhöhe zu konstruieren.

Kein Vergleich zum echten Clasico

Die Alternativbezeichnung als "deutscher Clasico" zeigt, woran sich die Marketingexperten orientiert haben: am Duell zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid in Spanien. Anders als Dortmund gegen Bayern ist die Feindschaft zwischen den Katalanen und Königlichen aber historisch gewachsen, ideologisch und emotional wesentlich stärker aufgeladen. Barca ist der Klub des separatistischen Kataloniens, Real wurde in der Franco-Diktatur begünstigt und gilt als Verein der Elite. Im Vergleich verblasst das deutsche Spitzenspiel völlig, auch was die internationale Aufmerksamkeit anbelangt. Am wichtigsten bleibt dabei die sportliche Augenhöhe: Im Clasico hat Real 78 mal gewonnen, Barca 74 mal. Zwischen Dortmund und Bayern ist die Sache wesentlich klarer, die Münchner haben von 133 Spielen 68 gewonnen, doppelt so viele wie der BVB. 

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Lars Pollmann  
03.11.2023