(Kein) Kampf um die Meisterschaft

Das Versagen der Bayern-Konkurrenz - Teil 1: "Die haben das meiste Geld"

Der FC Bayern lässt Konkurrenten wie den BVB regelmäßig hinter sich.
Der FC Bayern lässt Konkurrenten wie den BVB regelmäßig hinter sich. Foto: Imago

Der FC Bayern München ist zum neunten Mal in Folge deutscher Meister. Dass es zu dieser Erfolgsserie gekommen ist, beruht nicht nur, aber auch auf der Schwäche der Bayern-Konkurrenz. fussball.news nennt in einer mehrteiligen Serie Gründe, warum die deutschen Topklubs es Bayern München im Titelrennen viel zu leicht machen. In Teil 1 geht es um den Vorwand, dass die Münchner angeblich das meiste Geld besitzen, um sich die nationalen Titel zu sichern.

Egal ob Bayer Leverkusen oder Borussia Dortmund: Zu Beginn einer Saison führen Funktionäre, Spieler, Reporter und Fans nahezu aller Klubs gerne die sinngemäße Ausrede an, dass man keine reelle Chance auf den Meistertitel habe, vor allem weil Bayern München das meiste Geld besitze und deshalb die besten Spieler zusammenkaufen könne. Mit diesem Vorwand schenken die Topklubs in der Regel schon vor der Saison den Meistertitel ab. Diese Argumentation hat jeodch mit Leistungssport wenig zu tun. Man denke im Gegensatz dazu an den Boxsport. Selbst wenn der Weltranglisten-18. gegen den eindeutig favorisierten Weltmeister antritt, tönt der Außenseiter meist im Vorfeld des Kampfes, dass er den Weltmeister K.o. schlagen werde. Oftmals tätigt der Außenseiter diesen Spruch, um zu unterstreichen, dass er den Fight gewinnen will, von sich überzeugt ist und an seine Chance glaubt. Diese Sieger-Mentalität, das Streben nach dem Höchsten, ist unter den Klubs der Bundesliga kaum vorzufinden, wenn es um Platz eins geht.

PSG wurde nur drei Mal Meister in den letzten fünf Jahren

Dass viel Geld stets Titel sichert, ist ohnehin ein Irrglaube. Paris Saint-Germain und Manchester City sind dem Vernehmen nach seit einigen Jahren die finanzkräftigsten Fußballklubs der Welt. In den vergangenen zehn Jahren hätten sie demnach mehrmals die Champions League gewinnen müssen - beide Klubs haben sie kein einziges Mal gewonnen. Sie gelangten überhaupt jeweils nur einmal ins Finale.

Es geht noch eine Nummer tiefer: Paris Saint-Germain hätte der Vermögens-Theorie nach zehn Jahre in Folge die Ligue 1 gewinnen müssen. Allein in den letzten fünf Jahren gewann PSG die französische Meisterschaft aber nur drei Mal. Die Konkurrenten aus Monaco und Lille hatten ihre Chance - und nutzten sie.

Auch Manchester City ist in England nicht zum Serienmeister mutiert. 2016 zum Beispiel holte der krasse Außenseiter Leicester City den Titel in der Premier League. Geld kann ein Faktor für Titeltriumphe im Fußball sein, aber es ist selten der Hauptgrund. Doch auch wenn es um das Geld geht, könnten viele Bundesligaklubs den Bayern eigentlich Paroli bieten. Eigentlich. Denn wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg, um die Redewendung mal ins Gegenteil zu verkehren. Einige Beispiele:

Traumatisierter BVB?

Borussia Dortmund ist an der Börse notiert und gehört zu den 15 stärksten Klubs in Europa. Vom Umsatz her lagen die Dortmunder, die wie die Bayern von finanzstarken Großkonzernen gesponsert werden, vor der Coronakrise nicht allzu weit von den Münchnern entfernt. Meist handelte es sich um rund 500 Millionen Euro Umsatz bei den Schwarzgelben. Bei den Bayern machten die Jahresumsätze zwischen 650 und 750 Millionen Euro aus.

Der entscheidende Punkt ist aber nicht der Umsatz, sondern wie viel Geld die beiden Klubs für Transfers und Spielergehälter ausgeben wollen. Der noch bedeutendere Faktor sind die Gehälter. Denn auch wenn Fußballprofis öffentlich gerne die sportliche Entwicklung und das gute Klub-Umfeld als Hauptargument für einen Vereinswechsel angeben, hat aller Erfahrung nach für sie, ihre Berater und ihre Familie meist das neue Gehalt Priorität, um zum Wechsel motiviert zu werden.

Hier besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Bayern München und Borussia Dortmund. Die Bayern zahlen den meisten Stammspielern ein Jahresgehalt von zehn Millionen Euro (Brutto) plus x und sie haben begonnen, auch bei der Bezahlung noch klarer zu unterscheiden, wer für sie ein Spitzenspieler (15 Millionen Euro plus x) und wer für sie ein "Wasserträger" (zwischen fünf und zehn Millionen Euro) ist. Zu diesem Schluss kann man kommen, wenn man die bekanntesten Artikel und Gehaltstabellen zusammenzählt, auch wenn diese Zahlen oftmals auf Schätzungen beruhen.

Borussia Dortmund weigert sich dagegen in der Regel, seinen Stars mehr als zehn Millionen Euro zu bezahlen. Der überwiegende Teil der BVB-Profis muss sich wohl mit einem Jahressalär zwischen fünf und acht Millionen Euro zufrieden geben. Borussia Dortmund hätte bei rund 500 Millionen Euro Umsatz - die Coronakrise ausgenommen - durchaus die Chance gehabt, seine Gehaltsstruktur zu ändern. Der BVB könnte seinen Topstars zehn bis 15 Millionen Euro zahlen, er müsste dafür gegebenenfalls aber den Mut haben, einigen Spielern der mittleren Kategorie das Gehalt zu kürzen. Zugespitzt formuliert: Mehr Geld für Sancho und Haaland - weniger für Witsel und Hazard.

Der noch entscheidendere Punkt, warum der BVB dieses kalkulierte Risiko nicht eingeht, hängt aber wohl mit einem Trauma zusammen, von dem BVB-Boss Hans-Joachim Watzke seit 15 Jahren regelmäßig berichtet. Er habe den Klub kurz nach der Jahrtausendwende vor der Insolvenz gerettet und er wolle nie wieder mit dem BVB in eine derart existenzbedrohende Situation geraten. Menschlich ist diese Haltung absolut nachvollziehbar. Doch das dramatische Erlebnis liegt bereits 15 Jahre zurück, der BVB ist heute kein Insolvenzfall mehr, sondern ein finanziell gesundeter europäischer Topklub. Die Folge jedenfalls dieses defensiven Verhaltens: Fast alle BVB-Stars werden - gemessen am europäischen Topfußball - auf unterdurchschnittlichem Niveau bezahlt. Die Stars verlassen deshalb den BVB meist zeitnah, sobald ein internationaler Klub sich nur etwas beim Gehalt streckt.

"Dieselskandal" sorgte für Rückschlag in Wolfsburg

Doch nicht nur der BVB soll im Fokus stehen, auch die sogenannten Konzernklubs der Bundesliga sind relativ zahm geworden. Der VfL Wolfsburg, vom Automobilkonzern Volkswagen gefördert, wurde 2009 deutscher Meister und 2015 Vize-Meister. VW ist Milliarden-schwer und seit über zwei Jahren auch  Hauptsponsor der deutschen Nationalmannschaft. 2015 plante der VfL gemeinsam mit VW, den Bayern auch finanziell den Kampf anzusagen. Medienberichten zufolge wollten die Wolfsburger eine 100-Millionen-Euro-Offensive starten, um die Münchner regelmäßig im Titelrennen die Stirn zu bieten.

Es drohte sogar ein Interessenskonflikt. Denn Audi, Anteilseigner beim FC Bayern, ist eine Tochterfirma von VW - und im Ernstfall, so kam man davon ausgehen, bestimmt wohl der Mutterkonzern die Marschrichtung. Allerdings kam es nie zum Großangriff auf die Bayern, denn der "Dieselskandal" stürzte VW in eine tiefe Krise, das finanzielle Engagement beim VfL wurde gedrosselt. Allerdings steht VW sechs Jahre später nun finanziell weiter gut da, der VfL Wolfsburg ist zudem wieder ein Champions-League-Starter. Sobald die Coronakrise vorbei ist, könnte VW wohl ohne Probleme den Gedhahn für den VfL aufdrehen - wenn der Konzern denn will...

Bayer und Hopp fuhren Engagement zurück

Ähnlich verhält es sich mit Bayer Leverkusen und der TSG 1899 Hoffenheim. Der Phamarzie-Konzern Bayer schraubte in den letzten fünfzehn Jahren sein finanzielles Engagement beim Werksklub - in Relation gesetzt - zurück. Die finanziellen Möglichkeiten wären aber gegeben, um den Bayern finanziell Paroli zu bieten.

Und: Der Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim, Dietmar Hopp, zählt laut Forbes-Magazin zu den zehn reichsten Menschen in Deutschland. Laut Tagesspiegel hat Milliardär Hopp bis 2014 angeblich rund 350 Millionen Euro in die TSG insgesamt investiert. 2008/09 war Hoffenheim sogar zwischenzeitlich "Herbstmeister" vor dem FC Bayern, allerdings folgte danach eine sportlich schwere Zeit. Im Jahr 2015 kündigte Dietmar Hopp dann überraschend an, sein finanzielles Engagement bei der TSG zurückzuschrauben.

Spielergehälter: Leipzig limitiert sich selbst

Ähnlich wie Hopp liegt auch Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz im Forbes-Ranking weit vorne. Mateschitz gilt als der reichste Österreicher und im weltweiten Ranking belegt der Milliardär Platz 56. Es gibt einige Dinge, die man am 2009 gegründeten Verein RasenBallsport Leipzig kritisieren kann, jedoch geht oftmals unter, dass die Leipziger für lange Zeit ihren Spielern eine Gehaltsobergrenze auferlegt hatten. Viele Stammspieler beziehen offenbar auch aktuell noch maximal ein Jahresgehalt von fünf Millionen Euro. Damit liegen die Leipziger in Sachen Gehälter eher auf einem Europa-League-Platz. Würde Mäzen Mateschitz aber Ernst machen, könnten sich die Leipziger endlich eine Sturmkante aus der Kategorie internationales Topniveau leisten und auch auf der Sechser-Position wäre mehr individuelle Qualität vorhanden. Die Vermutung liegt nahe, dass die Leipziger dann schon ein oder zwei große nationale Titel in der Tasche hätten - aber sie limitieren sich selbst. Bislang zumindest.

Stopp, ein Verein bließ zum Angriff...

Fazit: Viele Konkurrenten des FC Bayern machen es sich bei der Geld-Frage viel zu bequem. Aus unterschiedlichen Gründen gehen sie seit Jahren nicht an ihr mögliches finanzielles Maximum heran, was im internationalen Top-Fußball eigentlich branchenüblich ist. Deshalb können sie oftmals Topspieler nicht verpflichten oder nicht lange halten.

Wobei, stopp, ein Verein hatte es eigentlich verstanden, dass man finanziell relativ schnell zum FC Bayern aufschließen kann. Der VfB Stuttgart und sein damaliger Präsident Wolfgang Dietrich stellten sich 2016 und 2017 finanziell neu auf. Der VfB bließ zum zeitnahen Angriff auf die Top Drei in Deutschland, pro Saison sollte der VfB 100 Millionen Euro dafür investieren - vom Gewinn der deutschen Meisterschaft, erstmals nach 2007, war man beim Fünf-Jahres-Plan gedanklich auch nicht mehr weit entfernt.

Das Problem: Geld ist eben nicht der Hauptgrund für Erfolg im Fußball, schon gar nicht im deutschen Fußball. Die Bayern-Konkurrenz versagt aber auch regelmäßig bei der Auswahl ihrer Funktionäre - vom Präsidenten bis einschließlich zum Trainer. Dazu mehr in Teil II der neuen fussball.news-Serie.

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Daniel Michel  
01.06.2021