Saisonstart

8 Dinge, die Schiedsrichter in der Bundesliga besser machen müssen

Schiedsrichter Daniel Schlager zählt zu den größten Talenten der Schiedsrichterzunft. Foto: Getty
Schiedsrichter Daniel Schlager zählt zu den größten Talenten der Schiedsrichterzunft. Foto: Getty

Ein Schiedsrichter-Team in der Bundesliga trifft in den 90 Minuten plus Nachspielzeit rund 400 Entscheidungen, die über Sieg und Niederlage einer Mannschaft mit den Ausschlag geben können. Den perfekten Schiedsrichter gibt es dabei nicht, Fehler sind menschlich. Dennoch ist an die Unparteiischen der Auftrag gerichtet, insgesamt bessere Leistungen als in der vergangenen Saison zu zeigen.

1. Handspiel einheitlich entscheiden

Am nervigsten für Fans und Spieler waren die Diskussionen um Handspiele, vor allem jene, die sich im Strafraum abspielten. Natürlich ist es so, dass die Regelhüter der FIFA die Strafbarkeit von Handspiel immer wieder verändern, was allen Beteiligten die Arbeit eher erschwert als erleichtert. Was man aber sicher von den Schiedsrichtern in der Bundesliga fordern kann, ist, dass sie die Handspielregel einheitlich auslegen. Dafür haben sie als Hilfestellung TV-Bilder, die Absprache mit dem Videoschiedsrichter und etliche Besprechungen im Schiedsrichterkreis auch während der Saison.

2. Schneller auf Abseits entscheiden

Ebenfalls kaum nachvollziehbar ist folgende immer wieder erlebte Szene: Ein Spieler steht eindeutig im Abseits und hat noch einen weiten Weg auf das gegnerische Tor vor sich, dennoch hebt der Schiedsrichterassistent nicht die Fahne. Erst am Ende, wenn die Szene vorbei ist, wird der Assistent aktiv. Dabei fragt man sich: Was soll der ganze Zirkus bei so eindeutigen Situationen? Der Hintergedanke ist klar: Lieber lässt man einen aussichtsreichen Angriff zu Ende spielen, um dann die Abseitsfrage mit hundertprozentiger Sicherheit zu klären. Aber muss das auch bei eindeutigen Abseitsstellungen der Fall sein, bei denen selbst der Fan im Oberrang des Stadions das Abseits erkennt?

3. VAR soll sich nur bei bedeutenden Szenen einschalten

Auch der Videoschiedsrichter im "Kölner Keller" war zuletzt oftmals Gegenstand von Diskussionen. Er griff manchmal ein, wo er gar nicht hätte eingreifen müssen. Manchmal wirkte er gar übergriffig und trug zur Verunsicherung des Hauptschiedsrichters bei. In anderen Spielen hätte man sich dagegen mehr Mut des VAR gewünscht. Die wichtigste Anforderung für die anstehende Saison an den VAR dürfte sein: Bitte greife nur ein, wenn eindeutig eine Fehlentscheidung vorliegt, die wiederum das Spielergebnis maßgeblich beeinflussen könnte.

4. Das Spiel mehr laufen lassen

Das Thema Spielfluss steht ebenso auf der Agenda. Noch viel zu oft pfeifen Schiedsrichter wegen simpler Delikte Foul, statt dass sie die Partie laufen lassen und damit der Begegnung mehr Tempo und Intensität verleihen. Sicherlich machen es die Profis den Referees nicht einfach mit unsportlichem Verhalten wie Meckern, Trash-Talk und Schwalben. Weniger Spielstopps wären dennoch wünschenswert.

5. Zeitspiel nach Freistößen bestrafen

In diesem Zusammenhang sei auch auf eine Unsitte hingewiesen, die in der Bundesliga wieder zum Trend geworden ist. Nach einem Freistoßpfiff nimmt die verteidigende Mannschaft gerne mal den Ball noch ein paar Meter mit oder tritt ihn rein zufällig zur Seite. Alles natürlich, um das Spiel zu verzögern, damit der Gegner seinen Angriff nicht schnell ausführen kann. Auch wird sich wieder vermehrt vor den Ball gestellt oder mit dem Schiedsrichter noch eine Diskussion angezettelt. Es gab Zeiten, da zückten die Schiedsrichter sofort die Gelbe Karte wegen Zeitspiels beziehungsweise unsportlichem Verhalten - damals rührte dann kein Verteidiger mehr den Ball an, wenn er nicht durfte. Es wird demnach Zeit, dass die Schiedsrichter gegen diese Unsitte wieder konsequent vorgehen.

6. Die 6-Sekunden-Regel bei Torhütern einhalten

Für alle Regelfreaks noch ein Geheimtipp: Es gibt eine Regel, die von Schiedsrichtern in der Bundesliga komplett ignoriert wird, obwohl sie eindeutig ist und auch einen bedeutenden Sinn besitzt. Ein Torwart darf den Ball kontrolliert nur sechs Sekunden in der Hand halten, dann muss er ihn aus seiner Hand wieder freigeben für das Spiel (nachzulesen in Regel 12). Es kommt in nahezu jedem Spiel aber vor, dass besonders in der zweiten Halbzeit Torhüter den Ball mehrfach über zehn Sekunden, manchmal sogar fast 15 Sekunden in der Hand halten. Die Taktik ist klar: Zeit von der Uhr zu nehmen, um den Sieg oder das Remis zu sichern. Manche Torhüter kommen mit dieser Taktik auf insgesamt rund eine Minute Zeitspiel.

Dabei haben die Regelhüter bei Nichteinhaltung eine empfindliche Bestrafung vorgesehen. Wenn der Torwart den Ball länger als sechs Sekunden in der Hand hält, gibt es indirekten Freistoß für den Gegner! Standardspezialisten wie Freiburgs Vincenzo Grifo oder Bayerns Joshua Kimmich würden sich bei konsequenter Regelauslegung die Hände reiben, die Wahrscheinlichkeit auf ein Tor wäre sehr hoch. Das ist aber wahrscheinlich auch der Grund, warum Schiedsrichter die Regel ignorieren. Das Aussprechen eines indirekten Freistoßes im Strafraum würde ihnen sehr viel zusätzlichen Ärger bereiten, den sie bei all dem Stress nicht auch noch gebrauchen können.

7. "Rumpelstilzchen" müssen auf die Tribüne

Denn Stress bereiten den Schiedsrichtern unter anderem viele Bundesligatrainer. Oftmals sind es gezielte Aktionen der Coaches, um den Schiedsrichter in seiner Spielleitung zu beeinflussen. Die Trainer vergessen dabei den Nachahmungseffekt (manche sprechen noch von "Vorbildwirkung"), sie wiegeln ihre Fans und die eigenen Spieler dann oftmals gegen den Schiedsrichter auf. Auch werden die Tage danach auf unzähligen Amateurfußballplätzen die Coaches in ihrem Verhalten nachgeahmt.

Daher gibt es eigentlich bei langjährigen Wiederholungstätern wie Leipzig-Trainer Marco Rose, Freiburgs "Enfant terrible" Christian Streich oder Ex-Bayern-Coach Julian Nagelsmann nur eine Vorgehensweise, die das unsportliche Verhalten unterbindet: Das erste Mal, wenn der Trainer gegen das Schiedsrichterteam meckert, hat eine Ermahnung zur Folge. Das zweite Mal eine Gelbe Karte. Das dritte Mal eine Rote Karte - und damit die Verbannung auf die Tribüne.

In der vergangenen Saison hätten dann Rose und Co. gefühlt jedes vierte Spiel aussetzen müssen. Bis die "Rumpelstilzchen"-Coaches es eben lernen, dass sie als Trainer sich durchaus an der Seitenlinie emotional verhalten können, aber es eben nicht unsportlich, abwertend oder hetzerisch werden darf. Denn am Ende müssen die Amateur-Schiedsrichter in der Kreisklasse für das Verhalten der Bundesligacoaches büßen, wenn mal wieder an der Seitenlinie ein Amateur-Trainer in Marco-Rose-Manier oder im Christian-Streich-Style austickt.

8. Schiedsrichter muss dem Kern seiner Aufgabe wieder mehr Geltung verschaffen

Viele Probleme der Schiedsrichter sind auf eine Ursache zurückzuführen: Die Referees kommen dem Kern ihrer Aufgabe oftmals nicht mehr nach. Sehr viele Fußballregeln besitzen einen Graubereich, der Schiedsrichter kann dadurch im Spiel bei vielen Situationen den berühmten "Ermessensspielraum" anwenden. Diesen besitzt er, weil der Kern seiner Aufgabe ist, die Leitung dem Charakter des Spiels anzupassen. Gehen zum Beispiel zwei Teams intensiv in die Zweikämpfe, wissen damit aber umzugehen, bieten eine temporeiche und spannende Partie, dann muss der Schiedsrichter nicht jeden Kontakt als Foul auslegen, auch wenn er das formal könnte. Umgekehrt gibt es Partien, wo der Schiedsrichter die ersten 20 Minuten jedes Züpferchen am Trikot pfeifen sollte, um Ordnung in die Partie zu bekommen.

Um das umsetzen zu können, braucht der Schiedsrichter Erfahrung, Selbstvertrauen, Menschenkenntnis und Mut. Dieses Gesamtpaket ist aber bei immer weniger Schiedsrichtern auf Topniveau vorzufinden. Die Schiedsrichter wirken oft verunsichert, mutlos und überfordert. Manche Experten machen dafür das Auswahl- und Fördersystem im Schiedsrichterbereich verantwortlich sowie die vermeintlich patriarchalischen, machtabhängigen Strukturen. Andere sehen im VAR eine Institution, die dem Schiedsrichter statt Sicherheit eher Unsicherheit verleiht.

Sicherlich kann man noch weitere Thesen dazu anführen, wie zum Beispiel die "Geld-Theorie": Einige Bundesligaschiedsrichter sind Einkommensmillionäre, die jüngeren Referees liegen zumindest bei einem sechsstelligen Einkommen. Sie alle wollen nicht aus dem mittlerweile zurecht gut bezahlten Elite-Kreis der schwarzen Zunft ausscheiden, nur weil sie mit konsequenten Entscheidungen zu viel Ärger bei Funktionären und Spielern auslösen. Unterbewusst schwingt womöglich bei Entscheidungen der Gedanke mit, nach Möglichkeit wenig anzuecken, schließlich braucht man auf Dauer die Akzeptanz von Funktionären und Spielern, um regelmäßig Bundesligaspiele zu leiten.

Fazit: Welche Gründe auch immer zu den durchwachsenen Schiedsrichter-Leistungen 2022/23 geführt haben, es bleibt die Hoffnung auf Besserung in der Spielzeit 2023/24.

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Daniel Michel  
07.08.2023